Optisch macht das Fundstück diesmal nicht viel her, handelt es sich doch um einen Briefwechsel aus einem Nachlass. Beginnend 1989 dauert er bis 1997.

Damit scheint er nicht historisch, doch der Anlass zu Beginn ist es auf jeden Fall. In dem ersten Brief schreibt der Pole Viktor Mazur in holprigem Deutsch an die Familie K. und bittet um Hilfe bei der Beantragung seiner Rentenansprüche. Nach dem Abkommen der BRD mit Polen vom 9.10.1975 hatten polnische Zwangsarbeiter Anspruch auf Rente für die Zeit, die sie in Deutschland gearbeitet hatten. Er schrieb:

Ich arbeitete bei Karol K. von 1.X.194 z 14.III.1943 als Zwangsarbeiter. Nachher ich arbeitete bei I. in St. george 15.II.43 zu 5.I.1944 und dann ich arbeitete von 10.I.1944 zu I 1946 bei Franz S. in Norsingen. Ich bitte schön Euch zu das Wiederfinden meiner Meldekarte und zu das Zusenden ihr mir.

 Der Briefwechsel, der daraus entstand, ist ein kleines Stück Zeitgeschichte. Paul K. schrieb ihm zunächst, was aus den Menschen, die er hier kennengelernt hatte, geworden ist nach dem Ende des Krieges 1946.

Besonders der Abschnitt über die direkte Nachkriegszeit ist interessant.

Meine Frau und ich haben uns riesig gefreut nach so langer Zeit ein Lebenszeichen von dir zu erhalten. Wir und auch deine ehemaligen polnischen Kameraden haben immer gehofft, etwas von dir zu erfahren. Dein Freund Rudolf Hill (trotz deutschem Namen ein polnischer Zwangsarbeiter) und auch einige andere sagten immer, wenn diese Kameraden, die mit den ersten Transporten in die Heimat zurückkehrten, nichts von sich hören lassen, gehen wir nicht nach Polen zurück. Sie befürchteten bestraft oder nach Sibirien verschickt zu werden. Viele wanderten dann deshalb nach Kanada oder Australien aus. Rudolf Hill ist hier geblieben. Eine Zeit lang wohnte er noch bei uns, dann mietete er sich ein Zimmer und arbeitete bis zum 65. Lebensjahr als Orthopädie-Schuhmacher. Als er kränklich wurde, kam er in ein Altersheim, wo er dann 1978 starb. Sein Grab ist auf dem Friedhof in St. Georgen.

Viktor berichtet, wie sich sein Leben nach dem Krieg gestaltete und ab da wurden hauptsächlich zu Weihnachten regelmäßig gute Wünsche verschickt, zum Teil auf polnisch, manchmal von Viktors Enkelin übersetzt. Nach Viktor Mazurs Tod endet der Briefwechsel.

Der Bitte um Hilfe beim Rentenantrag wurde selbstverständlich nachgekommen.

Haben auch Sie Fotos oder Dokumente von St. Georgen aus früherer Zeit, die Sie uns leihweise zur Verfügung stellen wollen, dann wenden Sie sich an Martina Kiefer, martina.kiefer@frstg.de oder Tel 471410. Im Moment interessieren uns besonders die 1920er Jahre.