Traditionen pflegen und bei einem Viertele zusammensitzen haben im Badnerland schon immer einen hohen Stellenwert gehabt. Ein ganz besonderes Treffen muss erwähnt werden, denn das gibt es nicht oft. Es ist der Karletag, eine Namensfeier, die am 28. Januar begangen wird und die vor allem im Südbadischen Raum zu finden ist. Der (unbestätigte) Hintergrund der Karle-Treffen geht vermutlich auf den Todestag Karls des Großen am 28. 1. 814 zurück. Aber auch Karl Friedrich Markgraf von Baden (22.11.1728 – 10.07.1811) oder der Schutzheilige Karl Borromäus aus dem 16. Jahrhundert könnten ausschlaggebend für diesen Tag gewesen sein.
Auch in St. Georgen gab es viele Karle, der Name war in allen Kombinationen weit verbreitet. Um mehr zu erfahren konnten wir uns mit zwei Karls zum Gespräch treffen, die bei vielen Karletagen dabei waren. Karl Ehret aus Wendlingen (Bascheggeter-Karl) und Karl Koch aus der Häge in Uffhausen.
Nach den Wirren des 2. Weltkriegs fanden die Karletage wieder regelmäßig statt. Der 28. Januar war für Namensbrüder ein fester und wichtiger Termin im Jahr. Da waren unsere Gesprächspartner noch jung und wurden eingeladen. Aber nur die Volljährigen und die, die in Arbeit waren, waren Teil der Karlsgemeinschaft.
Karl Koch: Ich bin Jahrgang 44 und bin anno 1958 in die Lehre gekommen. Dann ist man „zu den Mannen nah gnommen worre“, weil man vorher ein Bub war. Man hat einen Beruf erlernt und ist später ein Geselle gewesen – und dann ist man ins Mannesalter gekommen und auch zum Karletag eingeladen worden. Gefragt wurde: Wer bisch du, wem gehörsch du, was bisch du.
Wir wollten wissen, wer die Organisation in die Hand genommen hatte.
Karl Koch: Ich kann mich erinnern dass man einmal vom Banke-Karl eingeladen und dann vom Keller-Karl vom Stapfle-Hus, vom Storchen-Burehus. Unten dran war der Ehret-Karl, also der Stelzle-Karle. Und der hat auch mehr oder weniger so eine Art Regie geführt. Der hat auch verschiedene Sachen vorbereitet, hat uns auch Vorträge gehalten über die Gemeinde St. Jerge, wer so alles da war und was so alles passiert ist. Der Stelzle-Karl hat sich drum bemüht und hat auch Einladungen geschrieben.
Karl Ehret: Ja, ja, das war der Stelzle-Karl, der neben dem Keller-Karl gewohnt hat, der Bruder vom Adolf-Karle, und seine Frau Elsa, die hat das immer gemanaged. Die haben am Karletag zum Beispiel einen Lichtbilder Vortrag organisiert, oft vom Urlaub.
In St. Georgen waren es bis zu 44 Karle, die sich Ende Januar trafen. Immer in einer Wirtschaft, was für die Zeit etwas ganz besonderes war. Da war bei einem Karletag im „Paradies“ in den 60er Jahren das Nebenzimmer „rappelvoll, alle Karle von Unter-St. Jerge, vom Schlatthof und so, sind alle do gsi.“
Karl Ehret: Es gab natürlich viele Karle und viele sage, die Karle kommen von da unten her, vom Schlatthof und von Sankt Jerge unten rein, Wendlingen und bis nach Uffhusen hoch. Auf dem Schlatthof sind drei Karle aufgewachsen. Der alte Hanser-Karl; der Zimmermann, das ist der jetzige Karl Hanser und der Ehret-Karl gegenüber von der Wirtschaft. Der nächste war der Faber-Karl, und die zwei Ott-Karle im „Adler‘“, der Wirt und der Sohn. Dann noch der Schreiner Banke-Karl. Ich meine, dass viele Karletage damals im „Adler“ stattgefunden haben, weil der alte Ott Karl auch Bier gebraut hat und es dort alles gegeben hat.
Es wurde also eingeladen von einem, der das in die Hand genommen hat. In Kandern im Markgräfler Land gibt es dafür einen „Ober-Karle der auch die Wirtschaft sucht. In St. Georgen traf man sich in den Wirtschaften dort, wo auch Karls daheim waren. Oft im Schlatthof, im Paradies, im Weinberg oder im Adler, den es nicht mehr gibt.
Die Zeiten nach dem Krieg waren nicht leicht. Man musste viel mitschaffen in der häuslichen Landwirtschaft, und die Schule war auch noch da – viel Zeit blieb da nicht übrig. Der Karletag war eine kleine besondere Auszeit.
Wie kann man sich den so einen Karletag vorstellen, wollten wir wissen, was wurde denn da gemacht?
Karl Ehret: Hajo, g‘schwätzt mal halt was, Spüch gemacht halt! Das war immer unterhaltsam. Einer hat mit dem andern geschwätzt. Es war immer lustig!
Karl Koch: Als Bub ist man doch eher in einem engeren Kreis gewesen. Man hat nur die Nachbarschaft drumherum gekannt. Wir sind rumgekommen und haben uns an den Karle-Tagen besser kennengelernt. Man hat miteinander geschwätzt und manchmal festgestellt, dass man miteinander verwandt ist.
Am Karle Tag sind auch viele Geschichte erzählt worden. Zum Beispiel von Wendlingen der Gritli-Karle. Wir waren einmal vier Koch-Karls in St. Georgen. Zwei vom gleichen Schuljahrgang, der Koch-Emil-Karle und ich. In der Schule sind sogar einmal Zeugnisse verwechselt worden! Ich bin einmal freudestrahlend heimgekommen und habe ein gutes Zeugnis gehabt, aber es ist dann halt aufgeflogen. Und über solchen Sachen hat man dann halt gelacht.
Wir haben gegessen und getrunken, jeder hat sei Sach’ selber bezahlt. Man hat die örtliche, dörfliche Gemeinschaft ein bisschen aufrechterhalten. Weil man ja gewusst hat, gerade von den Leuten, die bei der Stadt geschafft haben, dass die Stadt St. Georgen einmal überschlingt.
Wann hat denn das mit dem Karle Tag aufgehört? Wann war’s denn das letzte Mal? :
Karl Koch: Es sind halt auch viele, viele alte Karle weggestorben. Ich glaube das wollte einfach niemand mehr übernehme, als der Stelzle–Karle nicht mehr war….
Karl Ehret: Es ist irgendwie langsam erloschen. Ist immer weniger geworden.
Andrea Engler und Thomas Müller vom Bürgerverein bedanken sich sehr herzlich bei Karl Ehret und Karl Koch für die vielen Informationen, die wir an sehr unterhaltsamen und lustigen Gesprächsnachmittagen bekommen haben.
Bei Interesse gerne eine E-Mail an: andreaengler56@gmail.com